Albanien von Süd nach Nord und weiter nach Venedig

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       Vom aufheben, schieben und reparieren eines motorisierten Zweirades

Albanien – oder warum es von entscheidender Wichtigkeit sein kann, sich auf Motorradreisen körperlich fit zu halten

Bis vor kurzem standen Motorradreisen unter den drei Schlagwörtern ausruhen, erholen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Wie eng Urlaub und Schwerstarbeit beieinander liegen, sollen wir auf dieser Reise intensiv erfahren.

Fernab von der Welt der Derivate und Ladenöffnungszeiten erfreuen wir uns der Sonne, die uns am Grenzübergang zu Albanien erwartet. Ein weise aussehender Zöllner, der das muffige Büro mühelos mit Erfahrung und Beredsamkeit füllen könnte, sorgt nach nur zehn Minuten für die richtigen Stempel auf den richtigen Seiten unserer Pässe. In Kürze halten wir dicke Geldbündel der Landeswährung „Lek“ in den Händen und schon sind wir im unbekannten Land, in dem Stress nicht wie bei uns zum guten Ton gehört. Hier darf man Zeit haben und gilt nicht im gleichen Atemzug als faul und arbeitsscheu.

Unser Tagesziel für heute ist die südlichste Stadt Albaniens namens Sarande und liegt an einer wunderschönen Bucht des Ionischen Meeres, gegenüber der Insel Korfu. Hier finden wir ein reizendes Hotel mit reinlichem Standard.

Albanien war fast ein halbes Jahrhundert lang völlig von der Außenwelt abgeschnitten. In der Zeit des Kommunismus – also bis 1991 – waren Privatautos nicht erlaubt. Verständlich ist, dass der größte Reiz und Traum eines Albaners ein eigenes Auto ist. Viele haben sich diesen Wunsch bereits erfüllt. Es gibt unzählige Mercedes, die in Albanien die Luft verpesten und durch Hupsignale ihre Anwesenheit bekunden. Fast kann man sagen, das Land besteht ausschließlich aus Mercedes! Die Albaner schwören auf „ihre“ Marke, denn für diese Straßen braucht man solide Autos!

Von den Straßen können Ingo und ich ein Lied singen. Autofahren ist in diesem Land ein kleines Abenteuer, nicht nur wegen der riskanten Fahrweise sondern insbesondere wegen der Straßenschäden. Besonders im Gebirge gibt es keinerlei Hinweisschilder auf Gefahren, abschüssige Gelände oder Kurven. Doch die Albaner sind sehr flexible und tolerante Autofahrer, die in manch chaotischer Situation ihr Auto mit einer bewundernswerten Gelassenheit und Millimeterarbeit retten.

Wir planen unsere Weiterfahrt entlang der Küstenstraße Richtung Norden. Staub, Schlaglöcher und Baustellen fordern äußerste Konzentration und lediglich der eine oder andere rasch erhaschte Blick auf die Kulisse am Fuße der Bergstraße unter uns entschädigt für die Strapazen. Wir verlassen gerade das Bergdörfchen Borshi als ich beim bergabfahren mitten auf der frisch geteerten Straße einen Bordstein hohen Absatz entdecke. Meine Vollbremsung kommt unerwartet für Ingo, dessen Blick träumerisch entlang der Küste streicht. Das Meerwasser schimmert in der Ferne wie ausgegossenes Silber als die schwere Metallfaust des BMW Boxers auf dem schwarzen Asphalt kreischt. Im Rückspiegel sehe ich Mann und Maschine horizontal über die Straße rutschen bis der Herzschlag einer Ewigkeit dafür sorgt, dass auch ich mein Motorrad zum Stehen bekomme.

In der Hektik des Absteigens klappe ich meinen Seitenständer nur ungenau aus, was zur Folge hat, dass nun auch mein Motorrad wie ein Maikäfer auf der Seite liegt. Sekunden später hält ein Pickup Fahrer, der mich beim Entgegenkommen dabei beobachtete, wie ich keuchend wie eine entwischte Taschendiebin versuche, der Schwerkraft der 200 Kilo Maschine zu meinem Vorteil entgegen zu wirken. Huldvoll wie ein alternder Engel lacht er mich an, als wir samt Maschine wieder in der Senkrechten sind. „Taxi“? fragt er stirnrunzelnd. Mein Kopfschütteln folgt seinem Blick und erstaunt stelle ich fest, dass auch Ingo bereits wieder festen Boden unter den Füßen hat. Außer ein paar Schrammen und blauen Flecken ist ihm glücklicherweise nicht viel passiert. Männer seiner Kleidergröße passiert so etwas eigentlich nicht und er ist entsetzt, dass dies nach 20 jähriger Motorradpraxis sein erster Sturz war. Allerdings hat die BMW ein paar Kratzer mehr abbekommen. Das Vorderrad steht schief und ist zusätzlich durch die Gabelbrücke blockiert. Der Blinker baumelt nur noch am elektrischen Kabel und auch die Alukisten sind an einigen Ecken abgeschliffen.

Nun sind handwerkliches Geschick und das richtige Werkzeug gefragt. Mit Hammer aus der Zelttasche und geliehener Eisenstange von der Ladenfläche des Pickups hantiert er mit geschickten Schläge und den notwendigen Schimpfwörtern am ramponierten Vorderteil.

 

Es dauert nicht lange bis Ingo einen langen Schritt nach hinten tritt, um sein Werk zu begutachten. „Eigentlich gar nicht schlecht!“ lobt er sich selbst was für mich das Zeichen zum Weiterfahren ist. In voller Montur sitze ich bereits auf meinem Motorrad, als Ingo den Anlasser drückt. Ein heiseres Heulen erfasst die Nachmittagsluft, das so rau klingt, als hätte die BMW Schmirgelpapier gegessen.

Die Sonne hat bereits den Zenit überschritten und mich erfasst Chaos. Ich unterdrücke die Angst, die unter meinen Rippen flattert wie ein aufgeschreckter Vogel. Wir hängen fest, denke ich und stelle die unnötige Frage:“Was ist damit?“

Die Daumen in die Hosenschlaufen gehakt blitzen blaue Augen auf mich herab. „Das bedeutet eine kleine Sporteinheit für Dich. Der Anlasser ist kaputt und wir werden wohl schieben müssen!“ Ingos Wort hängen in der Luft wie Echos. Rings herum fallen die Hänge atemberaubend steil ab und auch wir befinden uns auf einer Straße, die entlang von Felswänden und Zitronenbäumen bergab in das nächste Tal führt. Nachdem ich mich notdürftig meiner Motorradkleidung entledigt habe, atme ich dreimal kräftig durch, bevor ich mich mit abgewinkeltem Oberkörper auf dem Gepäckträger der Maschine abstütze. „Ich bin bereit!“ rufe ich und schon rollt die Maschine den Berg hinab. Nach zwei Fehlzündungen habe ich das Gefühl, meine Oberschenkel würden sich in ein Stück Holz verwandeln. Mit aller Kraft spendiere ich die letzten Energiereserven, doch es tut sich nichts. Wahrscheinlich leidet die BMW unter dem heißen Motorenöl, das sich durch den Sturz in sämtlichen Ritzen verteilt und selbst vor dem Vergaser nicht halt gemacht hat.

Im Schatten des Vordaches einer Tankstelle zückt Ingo sein Handy und holt sich technische Unterstützung von Tobias aus Delmenhorst, der uns über viele Jahre mit seiner BMW Werkstatt betreut hat. Währenddessen finden sich ein paar neugierige Männer ein, die mit Händen und Füßen erklären, was ihrer Meinung nach zu tun sei.

 

Sämtliche Möglichkeiten werden ausgekostet, nichts bleibt unversucht. „Jetzt müssen wir nochmal anschieben!“ beendet Ingo die Diskussionsrunde der Reparaturarbeiten. Sechs kräftige Männerarme positionieren sich am Gepäckträger der BMW und schon galoppieren sie über den staubigen Untergrund.

Die Maschine hat im stählernen Kern ihres Wesens Erbarmen. Mit einem Geräusch, das dem Bellen eines Schäferhundes nicht unähnlich ist, gibt sie den Motor frei und der Bann ist gebrochen.

Die Albanische Riviera hat uns zurück und wir genießen die Aussicht auf unberührte lange, weiße Strände, die sich am Wasser entlang ziehen. Die steil zum Meer abfallenden Hänge sind von Olivenplantagen bedeckt. Zahlreiche Haarnadelkurven erfordern beim Fahren Konzentration. Vom Llogara-Pass, der etwa 1000 Meter ü.d.M. liegt, sehen wir in die Tiefe und genießen ein atemberaubendes Panorama.

Auch heute fallen uns nach wenigen Kilometern die grauen Betonpilze auf, die wir bereits die letzten Tage über das ganze Land verteilt gesehen haben. In der Nähe von größeren Städten sind die wie Stahlhelme wirkenden Betonbauten besonders zahlreich. Hierbei handelt es sich wie wir herausfinden um Betonbunker, die Albanien Ende der 70er Jahre nach Austritt aus dem Warschauer Pakt hat bauen lassen.

Der Diktator isolierte Albanien damals vollkommen von der Außenwelt. Aus einer paranoiden Angst vor potentiellen Invasoren ließ er etwa 700.000 Bunker bauen, die noch heute über das ganze Land verstreut sind. Die Bunker sind sehr solide gebaut und lassen sich deshalb heute sehr schwer entfernen. Oft bringen die Bauern dort Viehfutter oder Gerätschaften für die Landwirtschaft unter.

Noch vor Dunkelheit erreichen wir die Stadt Vlore, die mit knapp 90.000 Einwohnern nach Durres die zweitgrößte Hafenstadt Albaniens ist. Die Stadt ist nur 75 Kilometer von Italien entfernt, und der Einfluss italienischer Kultur und Lebensweise ist unverkennbar. Immer weiter folgen wir die nächsten Tage der Küstenstraße Richtung Norden, die stetige Sonne in unseren Rückspiegeln.

Über Shkoder passieren wir die Grenze zu Montenegro, durchqueren die wunderschöne Küste Kroatien um etliche Kilometer später wieder italienischen Boden unter den Füßen zu bekommen. In Venedig, der romantischen Stadt im Wasser, der Unterschlupf für frisch Verliebte und Vermählte, lassen wir unseren Urlaub genussvoll ausklingen. Cappuccino, Eiscreme und Pizza unterstützen uns dabei tatkräftig.

Am Ende unserer Reise zählen wir 3.000 Kilometer mehr auf unseren Motorraduhren und der Umfang zumindest meiner Oberschenkel ist um mindestens zwei Zentimeter gewachsen. Nicht ganz ohne Anstrengung und Schweißfluss ist es zu einer Art Gewohnheit in Sachen Frühsport geworden, Ingos BMW anzuschieben. Bis zum Schluss weigert sich der Anlasser, auch nur einen motorradähnlichen Ton von sich zu geben. Und in voller Motorradmontur 250 Kilos in Bewegung zu setzten, ist wahrlich keine Leichtigkeit. Selbst für einigermaßen gut durchtrainierte Läuferbeine….