Ein Tag - zehn Länder - zwei Räder - ein Motorrad |
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Das Ziel lautet zehn europäische Länder in einem Tag zu bereisen Es 3:30 Uhr am Morgen und der Wecker versucht sein bestes, mich aus dem Schlaf zu reißen. Ich übernachte im Berghaus kurz unter dem Splügenpass, der die Grenze zu Italien bildet. Mein Plan für heute ist, so viele europäische Länder wie möglich an diesem einem Tag zu durchfahren. Also winde ich mich raus aus dem Bett und schleiche so leise wie möglich hinunter in die Wirtsstube. Das versprochene Frühstück steht bereit und der Kaffee in der Thermoskanne ist noch richtig heiß. Jetzt heißt es nur noch hinauf auf den Pass und der Spaß kann beginnen.
Italien Die Grenze nach Italien ist geschlossen und lediglich ein einziger Strahler erleuchtet den Schlagbaum und den daneben stehenden Wagen der italienischen Zöllner. Es ist niemand in Sicht und heutzutage ist es ja so einfach eine Grenze illegalerweise zu überqueren. Also klettere ich über den Schlagbaum und dann allerdings auch gleich wieder zurück. Das Motorrad läuft bereits und schon springe ich auf.
Schweiz Der Splügenpaß hat eine Höhe von 2113 m. Bedingt durch die vielen Rinkeli-Rankelis und die Tatsache, dass es stockdunkel ist, fahre ich alles andere als die Ideallinie. Glücklicherweise ist es unwahrscheinlich, dass mir morgens um vier Uhr jemand auf einer geschlossenen Passtrasse entgegen kommt. Eigentlich gefällt mir dieser Teil der Schweiz sehr gut nur leider ist im Licht der Scheinwerfer nicht viel zu sehen. Da fällt mir der Spruch von Muammar al-Gaddafi - dem lybischen Staatsmann - ein, der aufgrund der Streitereien mit der Schweiz vorgeschlagen hat, diesen „Terroristenstaat" an die Nachbarländer aufzuteilen. Wenn dies so wäre, so würde ich mich wahrscheinlich immer noch in Italien befinden. Kurz vor fünf Uhr wird es langsam hell und ich fahre an Chur vorbei, der ältesten Stadt der Schweiz, um dann das „Heidiland“ zu durchfahren. Wenig später geht es rechts ab über den Rhein und somit betrete bzw. befahre ich das Fürstentum Liechtenstein.
Fürstentum Liechtenstein Liechtenstein ist der kleinste deutschsprachige Staat der Welt. So früh morgens wirkt alles wie ausgestorben und in der Hauptstadt Vaduz ist kaum einer der 5.050 Einwohner zu sehen. Hoch über Vaduz strahlt hell erleuchtete das Schloss. Hier ist die Residenz des Landesfürsten und Herrschers über all die 34.700 Untertanen des Landes. Liechtenstein ist schnell durchquert schon ist die Grenze von Österreich in Sicht.
Österreich Der erste Ort in Österreich ist Feldkirch, die westlichste Gemeinde des Landes. Geografie hin oder her ich würde jetzt gerne einen Kaffee trinken. Leider bin ich zu früh unterwegs und ich kann auf meiner Strecke kein geöffnetes Café oder ähnliches finden. Also zurück auf die Schweizer Autobahn in Richtung Deutschland. Zurück am schweizer Walensee mit Blick auf die Berge bekomme ich dann endlich mein zweites Frühstück.
Deutschland Beim Tanken gleich an der Grenze werde ich mit einem Schild „Riesenbockwurst + 1 Pott Kaffee für 4,49€“ begrüßt. Na, da sage ich doch „Willkommen in Deutschland!“. Eigentlich schade, dass Claudia auf der Tour nicht dabei ist. Als ich ihr vor ein paar Wochen verkündet habe, dass ich auf dem Weg nach England so viele Länder wie möglich an einem Tag durchfahren möchte, hat sie mir viel Spaß gewünscht. Kurz darauf hat sie einen Flug nach England gebucht und mich darauf aufmerksam gemacht, ich möge pünktlich am Flughafen London-Gatwick sein, um sie abzuholen. Ruck zuck lasse ich das kleine Stück deutscher Autobahn hinter mir und biege links ab in Richtung französischer Grenze.
Frankreich Ab Mulhouse geht es über die französische A35 immer am Elsass entlang. In der Ferne ist der Berg Grand Ballon zu sehen und wenig später die Hohe Königsburg. Kilometerlange Weinstöcke bedecken die Hänge darunter. Schade, dass keine Zeit für einen Abstecher in meine Lieblingsorte Riquewihr und Ribeauvillé bleibt. Okay, aber für eine kleine Rast und ein französisches Baguette muss die Zeit reichen. Also Blinker rechts und bereits nach kurzer Zeit halte ich eines der geschmackvollen Brotstangen in meiner Hand. Vorbei an Straßburg und einem verregneten Metz geht es weiter nach Luxemburg.
Luxemburg Ist schon klasse, dass all die Grenzen ohne Kontrollen passiert werden können. Das Großherzogtum Luxemburg ist nun schon seit fast 200 Jahren selbstständig und soll früher als uneinnehmbar gegolten haben. Das ist heutzutage kaum zu glauben, da es doch recht unbedeutend erscheint. Auf der anderen Seite ist Luxemburg nach Liechtenstein und der Schweiz bereits das dritte Land auf meiner heutigen Reise, das als Steuerfluchtparadies gilt. Diesen Ländern hat der „Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland“ namentlich Peer Steinbrück den persönlichen Kampf angesagt. In der Schweiz hat er es mit seiner hochnäsigen und arroganten Art geschafft, der meistgehasste Politiker Deutschlands zu werden. Genug der Politik. Dreimal Luft geholt und einmal die Autobahn von der A3 auf die A6 gewechselt und schon naht die Grenze nach Belgien.
Belgien Von Luxemburg aus geht es immer Richtung Brüssel, quer durch die Ardennen. Wälder und wellige Hügellandschaften prägen das Bild links und rechts der Autobahn. Neben leichten Problemen, eine Tankstelle zur richtigen Zeit zu finden, geht es zügig nach Brüssel. Wobei zügig bedeutet, dass ich mich stets an die Straßenverkehrsordnung der entsprechenden Länder halte. Ich habe folgende Regel aufgestellt: Für jedes erhaltene Speedticket muss ich am Ende der Reise zwei Länder von meiner Liste streichen. Und es wäre doch wirklich blöde, zehn Länder geschafft zu haben und nur sechs zählen zu können wegen zweier Strafmandate für Geschwindigkeitsübertretungen. In Brüssel zeigt sich mir das übliche Bild und das heißt „Stau“. Egal, ich schlängele mich langsam durch und weiter geht es nach Gent um dann kurz vor Brügge nördlich zur holländischen Grenze hochzufahren.
Holland Die Grenze ist erreicht und nach 10 Metern bremse ich kehre um. Die Zeit reicht leider nicht, um diesen Teil Hollands ein bisschen intensiver zu erforschen. Die gleiche Straße führt mich nun wieder zurück zur Autobahn in Richtung Frankreich. Für den Küstenort Calais habe ich den Unterwasserzug nach England gebucht, da er schneller ist als die Fähren und es spezielle „Vordränglertickets“ im Internet zu kaufen gibt. Die Werbung verspricht, dass man mit diesen teureren Fahrkarten automatisch mit dem nächsten Zug mitgenommen wird. Und siehe da, 15 Minuten nach meiner Ankunft werde ich bereits auf den Zug eingewiesen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt war ich topfit und konzentriert. Nun lehne ich im Dämmerlicht an den schmierigen Scheiben des schaukelnden Zuges und merke zum ersten Mal, dass es doch eine lange Fahrt war.
Großbritannien In Folkstone angekommen muss ich nur noch mein bereits gebuchtes Hotel am Wasser finden. Hundert Meter vor dem Ziel halte ich erst einmal an einem Pub an und gönne mir als Belohnung ein richtiges englisches Bier. Das Hotel mit dem Namen Grand Burstin erweist sich als gar nicht so großartig. Mit den Erfahrungen aus Indien habe ich sicherheitshalber meinen Leinenschlafsack dabei. Im eigenen Mief schläft es sich am besten und ich verzichte auf eine Beschwerde bei der königlichen Familie. Zehn Länder an einem Tag sind geschafft, oder um es ganz genau auszudrücken, in 16 Stunden. Durchschnittlich sind das alle 96 Minuten ein neues Land und hierfür waren 1.153 Kilometer erforderlich. Mein Ziel war es nicht, möglichst schnell zu sein, sondern sicher und mit viel Spaß Motorrad zu fahren. Und manchmal ist es auch okay, to be a little crazy.
Berghaus am Splügenpass
Unterwasserzug von Calais nach Folkstone
Grossbritanien, das verdiente Bier im zehnten Land
Grand Burstin Hotel, never again
Klippen an der englischen Küste
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