27.12.2012 Argentinien, Nationalpark Los Alerces: Es steht ein Pferd auf’m Flur

Der Nationalpark Los Alerces  befindet sich im Nordosten der Provinz Chubut im argentinischen Teil Patagoniens. Er umfasst eine Fläche von 2.630 km² entlang der chilenischen Grenze und liegt durchschnittlich 900 Meter über dem Meer. Der Park wurde eingerichtet, um die letzten Bestände der Patagonischen Zypresse zu schützen.

Von San Carlos de Bariloche (Puterstation) fahren wir über El Bolson weiter nach Süden. Wir wählen die Schotterabkürzung entlang der landschaftlich eindrucksvollen Seenlandschaft des Lago Rivadavia und Lago Futalafquen. Am Rio Arrayanes finden wir einen wunderschönen Zeltplatz direkt am Wasser. Von hier unternehmen wir Wanderungen entlang des Flusses zu reissenden Stromschnellen und wunderschönen sonnenbeschienenen Buchten. Eine Trekkingtour bleibt uns besonders in Erinnerung. Nach einem zweistündigen Aufstieg durch dichten Wald und bambusbewachsene Hänge gelangen wir an eine idyllische Lagune mit grünschimmerndem Wasser. Der Wind treibt seichte Wellen an die Ufer und zeichnet die Wasseroberfläche mit imaginären Bildern. Fast eine Stunde verbringen wir an dieser traumhaften Stelle und kehrten erst in den Abendstunden zum Zeltplatz zurück.

Hmpf, hmpf, hmpf, …. in gleichmässigem Rhythmus des Sekundentaktes wiederholt sich das dumpfe Mahlgeräusch, als ob zwei flache Steine gegeneinander reiben. Hmpf, hmpf, hmpf, …. Noch im Halbschlaf öffne ich die Augen und kneife sie zu zwei Schlitzen zusammen. Der Morgen ist bereits angebrochen. Das Display des Reiseweckers zeigt 7 Uhr 15, na das ist ja eine optimale Zeit um aufzustehen.

Ich öffne den Reissverschluss des Zelteingangs und strecke meinen Kopf durch die Öffnung. Vier behaarte Beine versperren mir die Sicht auf den angrenzenden  Rio Arrayanes. Ich lege den Kopf in den Nacken, um den Rest des früh morgendlichen Besuches zu definieren. Die kastanienbraunen Augen des dazugehörigen Pferdes blicken mich erstaunt an, während sein mächtiger Kiefer in Seelenruhe die Grasbüschel in seinem Maul hin- und herschiebt. Hmpf, hmpf, hmpf, …. Das Ross scheint den Augenblick auszukosten, als gäbe es kein morgen.

Ich ziehe mir Hose und T-Shirt über und steige aus dem Zelt.Bereits von weitem sehe ich einen weissen, rennenden Fleck, der sich immer schneller in meine Richtung bewegt. Dieser entpuppt sich als schienbeinhohe Hundewurst, der nun mit wedelndem Schwanz um meine Beine hüpft. Er wirkt äusserst freundlich, doch mir ist überhaupt nicht wohl dabei. Der englische Bullterrier ist mir schon alleine aufgrund seines Aussehens unheimlich. Kräftig und gepresst wirkt er, mit mächtigem Kiefer und einem Nasenrücken, der mich an Bastian Schweinsteiger erinnert. Er spitzt aufmerksam die kopierten Ohren, als ich ihn anzische zu verschwinden. Natürlich denkt er gar nicht daran, zumal ich offensichtlich die einzige Person auf dem Platz bin, die wach ist. Auf dem Weg zur Toilette klebt er mir am linken Hosenbein und selbst in das Sanitärgebäude folgt er mir hinein. Ich öffne die Tür zur Toilette nur eine Handbreit und schiebe mich hindurch. Es gelingt mir, die Tür gerade vor seiner Nase ins Schloss fallen zu lassen. Geschafft! Erleichtert atme ich auf und blicke auf den Boden. Aber was ist das? Unter der Trennwand schiebt der aufdringliche Bulli seinen Kopf hindurch, um mir bei meinem Geschäft zuzusehen. Er grinst mich förmlich an und sein Blick scheint Bände zu sprechen. Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Na, Du bist aber anhänglich!“ spreche ich ihn erstmals an und ich weiss nicht, ob es an meinem Tonfall liegt (ich vermute, deutsch versteht er dann doch nicht), aber er versucht nun mit aller Kraft, sich unter der Trennwand hindurch in meine Toilettenkabine zu drücken. Glücklicherweise ist er einfach zu dick dafür und so klemmt er nun zwischen Boden und Wand fest und starrt mich weiterhin unverblümt an. Ich male mir bereits gedanklich die Rettungsaktion eines englischen Bullterriers aus, der mit Handsäge und Brecheisen aus dem hölzernen Toilettenverschlag freigeschnitten werden muss, als ich die Türe zur Herrendusche schlagen höre. Auch mein eingeklemmter Freund nimmt den morgendlichen Duschgänger wahr. Einmal kräftig ausatmen, Luft anhalten und unter winden und wenden gelingt es ihm, sich zu befreien. Mit schnellen, kräftigen Schritten höre ich ihn in Richtung Herrenduschwelt tapsen, als eine männliche Stimme aus der Dusche tönt: „Buenos Dias Perro, como estas?“

 

Wetter:

Sonne, 19 Grad

 

 

 

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