13. August 2013 Guatemala, Antigua – Sesshaft

Als Erdbeben werden messbare Erschütterungen des Erdkörpers bezeichnet. Sie entstehen durch dynamische Prozesse im Erdinneren, wie Masseverschiebungen oder Absenkungen unterirdischer Hohlräume.

Zur dumpf hämmernden Technomusik renne ich im Takt des Rhythmus.  Das Surren der Laufmaschine unterstreicht die irreale Welt meiner Indoor-Aktivität. Das Fitnesscenter im Herzen Antiguas ist die Nummer eins unter den Konkurrenten.

Die Maschinen sind auf dem neuestem, amerikanischen Stand und blitzblank geputzt. Während mir der Schweiss aus den Poren rinnt laufe ich dem  illusorischen Rundkurs hinterher, von der Maschine diktiert. Ein grosser Fan von Fitnesscentern war ich noch nie, doch ich bin überglücklich, hier zu sein. Endlich kann ich wieder einmal joggen gehen, wenn auch hinter vergitterten Fenstern und Türen. Das Sicherheitspersonal am Eingang genehmigt den Einlass nur nach vorheriger Gesichtsüberprüfung und Mitgliedschaft.

Die Sicherheit in Antigua (Guatemala) ist erzwungen und von privaten Bewachungsunternehmen erkauft. Doch sie ist vorhanden, weswegen es in der 35.000 Einwohner zählenden Kleinstadt  von Touristen nur so wimmelt.

Die nächsten drei Wochen werden wir in Antigua bleiben. Es ist ein toller Ort für eine Pause. Die Stadt weist ein schönes koloniales Stadtbild auf und verfügt über zahlreiche Hotels, Restaurants, Geschäfte und Sprachschulen. Eine weitere Attraktion sind die in Sichtweite gelegenen Vulkane Agua, Acatenango und der noch aktive Fuego.

Doch das grösste Glanzstück Antiguas ist für mich die Praxis der Doktora Maira Lopez, wo ich für 2 Wochen ein Praktikum absolvieren darf. Die Zusammenarbeit hat sich durch puren Zufall ergeben und die Tatsache, dass wir beide wunderbar zusammen passen, ist für mich wie ein 6er im Lotto. Ich bin bei allen Patienten mit anwesend und werde diesen als Doktora Claudia vorgestellt.

Sie bezieht mich komplett in die Behandlungen mit ein. Ich darf so viele Fragen stellen oder Untersuchungen vornehmen wie ich möchte. Es ist für mich äusserst interessant, die Zivilbevölkerung Guatemalas unter diesen Voraussetzungen kennen zu lernen. Die zahlreichenKrankheitsbilder zeigen sich in verschiedenen Symptomen, und doch komme ich stets zu der gleichen Diagnose. Ganz speziell die weiblichen Patienten zeigen ein Bild der Überarbeitung und gleichzeitiger Stagnation. 5 von 8 Patientinnen leiden an Unterleibsproblemen wie Endometriose, Myomen und Ovarialzysten. Zusammen mit Schlafstörungen und regelmässigen Kopfschmerzattacken zeigt sich für mich ein klares Bild der Überlastung. In Guatemala gibt es einen Witz. Er beinhaltet eine Liste der meist gestellten Fragen der Kinder an Mutter bzw. Vater:

Fragen an die Mutter:

Wann gibt es Essen?

Ist die Wäsche gewaschen?

Bringst Du mich zur Schule?

Wann gehen wir einkaufen?

Wann….

Wie…..

Was….. usw.

Fragen an den Vater:

Wo ist Mama?

Die Ernährung der Bevölkerung Guatemalas ist eine andere Problematik im Land. Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht und Bluthochdruck stehen an der Tagesordnung. Der Aufklärungsbedarf ist gross. Während ich meine Tage in der Klinik verbringe, vergnügt sich Ingo mit den Motorrädern. Doch die begehrten Erkundigungstouren in die Umgebung Antiguas halten sich in Grenzen, da viele Servicearbeiten anstehen: Reifenwechsel, Ölwechsel und allerlei kleine Schraubereien.

Über Horizons Unlimited sind wir in Kontakt mit Julio, einem Südtiroler, der seit über 30 Jahren mit seiner einheimischen Frau Luisa in Guatemala  wohnt. Bereits im Vorfeld haben wir intensiven E-Mail-Kontakt und ohne uns zu kennen besorgt und bezahlt er uns auf Vertrauensbasis neue Reifen vom BMW-Motorrad-Händler aus Guatemala-Stadt. Wir unternehmen mehrere Halbtagestouren mit den beiden in die Berge, die meist bereits um 6 Uhr morgens beginnen.

Um 7 Uhr sitzen wir dann in einem rustikalen Restaurant, wo der Kamin mit einem grossen Feuer sein bestes gibt, die morgendliche Kälte zu vertreiben. Das typische Guatemaltekische Frühstück  besteht aus Rührei mit Zwiebeln und Tomaten, dazu schwarzen Bohnenbrei, Schafskäse, Maisfladen, Haferschleimsuppe und Holundermarmelade sowie fette, frittierte Würstchen. Kein Wunder, dass bei den Patienten die Harnsäure- und Cholesterinwerte regelmässig die oberen Werte sprengen. Bei der Ernährung! Aber lecker ist es...

Jeden Tag findet ein grosser Markt in Antigua neben dem Busbahnhof statt, auf dem man die lokalen Früchte- und Gemüsesorten günstig erwerben kann. Man bekommt allerlei angeboten und neugierig bestaune ich die verschiedenen Stände. Ich bin alleine unterwegs und stelle fest, hier gibt es wirklich alles, denn mehrmals höre ich die Frage:  „Necesitas novio?“ „Buscas esposo?“ – „Suchst Du einen Mann?“

Am Abend treffen Ingo und ich uns in unserer Unterkunft und während wir auf dem Bett sitzen tauschen wir unsere Erlebnisse des Tages aus. Ingo erzählt von ölverschmierten Schrauben und seinem Trip nach Guatemala-Stadt, ich von übergewichtigen Patienten. Plötzlich ertönt ein dumpfes Grollen und das Bett, auf dem wir sitzen wackelt hin und her, als würde es durch riesige Hände geschüttelt. Ein Erdbeben der Stärke 5,6 versetzt uns für 10 Sekunden in Schrecken. Doch so schnell wie es gekommen ist, ist es wieder still im Zimmer und fast haben wir den Eindruck, wir hätten uns das Ganze nur eingebildet.

 

Wetter:

25 Grad Sonne und Regen

 

 

          

 

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