20. Oktober 2013 USA, Westküste – Clam Chowder

Ein handfester Meereseintopf im Spätherbst – Clam Chowder.  Der geballte Angriff der sahnigen Muscheln macht Lust auf mehr. Zubereitet wird die Suppe aus Venusmuscheln, Speck, gewürfelten Kartoffeln, Zwiebeln, Dill und Thymian sowie Gewürzen. Die Zutaten kommen nach einem alten Rezept abwechselnd schichtweise in den Topf, wobei jede Schicht separat gewürzt wird. Dann wird das Ganze mit Wasser oder Brühe aufgefüllt und langsam geköchelt. Am Schluss wird der fertige Eintopf noch mit Sahne gebunden.

Eisiger Wind weht uns um die Ohren, als wir am Ablegehafen der Black Ball Ferry Line in Victoria, Kanada stehen. Der heutige Freitag läutet ein langes Wochenende ein. Am Montag feiert Kanada Thanksgiving - fast zwei Monate früher als in den benachbarten Vereinigten Staaten. Der zeitliche Unterschied ist wahrscheinlich mit den klimatischen Gegebenheiten hier oben begründet. Der Winter beginnt in Kanada in wenigen Wochen, wogegen in Kalifornien noch Temperaturen knapp unter 30 Grad herrschen. Vor unserer Nase schlagen die Wellen des Pazifiks ungehindert an die Felsen. Es ist eine grandiose Küste, die vor Vancouver Island liegt. Und wir beide müssen wirklich sehr verfroren aussehen. Kurz vor Abfahrt der Fähre kommt einer der wartenden Autofahrer auf uns zugelaufen und drückt uns zwei Pappbecher mit heissem Kaffee in die Hand. „Enjoy it!“ meint er Augen zwinkernd. Das heisse Getränk breitet sich wohltuend in unseren Mägen aus und kurz darauf beginnt bereits die Fahrzeugverladung. Nach 90-minütiger Fährfahrt treffen wir in Port Angeles ein, von wo aus wir uns entlang des amerikanischen Kontinents in Richtung Süden fortbewegen.

Während die Küste des Bundesstaates Washington durch Inseln und Binnenseen geschützt liegt, ist das donnernde Brechen und das launische Wetter im Nachbarstaat Oregon ein krasser Gegensatz zur Postkartenidylle. Entlang der grandiosen, ausgedehnten  Sandstrände schlängelt sich die Panoramastrasse des Highway 101 durch hübsche Städte und eine überwältigende Wildnis. Cannon Beach ist mir besonders ans Herz gewachsen. Ein fein angelegter Ferienort mit riesigen Felsbrocken im Meer, schäumenden Wellen, einsamen Stränden und herrlich ursprünglichen Wäldern. An den Klippen der Basaltfelsen nisten Seevögel. Cannon Beach ist einzigartig schön. Und zu einem ganz kleinen Teil liegt es sicherlich auch an der Chocolaterie im Zentrum der Ortschaft, die sündhaft köstliche Baileys-Pralinen verkaufen. Wir werden von einer Amerikanerin aus Portland auf eine heisse Schokolade mit besagten Pralinen eingeladen. Zur Feier des Tages, erklärt sie uns wortreich, denn schliesslich sei heute ihr Geburtstag.

Im dreieinhalb Stunden weiter südlich gelegenen Florence treffen wir in einem Restaurant auf Walter und Wendy. Ein pensioniertes Pärchen, das ihren Altersruhesitz in dem Ort verbringt, wo Ingo vor ziemlich genau 20 Jahren zum ersten Mal in seinem Leben Clam Chowder gegessen hat. Die international bekannte Muschelsuppe ist eine Delikatesse, die üblicherweise an der amerikanischen Ostküste vorkommt, aber durchaus auch hier im Westen Bekanntheit geniesst. Typisch ist die sämige Konsistenz der Suppe, die einem Eintopf ähnelt. Walter und Wendy laden uns ein, mit ihnen den Abend zu verbringen und bieten uns in ihrem riesigen Haus eines ihrer Gästezimmer an. Es wird ein bereichernder Themenabend mit den beiden über Sehnsucht und Mut, Vertrauen und Veränderung, Träume und Wagnisse.

Bei unserer Weiterfahrt von Florence in Richtung Süden finden wir ursprüngliche Schönheit und grandiose Gesteinsformationen. Um diese Ursprünglichkeit bemüht haben Vulkanausbrüche  eine traumhaft schöne, wild zerklüftete Felsenküste geschaffen. Besonders erfrischend ist das Cape Perpetua. Das Kap liegt 3 Meilen südlich des Ortes Yachats und wurde 1778 von James Cook entdeckt. An der Nordküste Kaliforniens grenzen Täler voller Mammutbäume an den donnernden Pazifik. Der Redwood Park bietet ein ausgewiesenes Unesco-Naturerbe, der die Hälfte aller noch existierenden Mammutbaumurwälder in Kalifornien erfasst.  Auf die gewaltigen Stämme zu schauen ist ein surreales Erlebnis.

Die kurvenreiche Küstenstrasse wird mit jedem Kilometerimmer schöner und wilder. Man möchte einfach immer weiterfahren. Und auch wenn die charmante Metropole San Francisco nur ein paar Stunden vor uns liegt, so fühlen wir uns Lichtjahre von ihr entfernt. Von Haltebuchten aus können wir den diesigen Horizont über dem Pazifik nach wandernden Wellen absuchen und die unregelmässige Küste bewundern, deren Felsformationen ständig von einer heftigen Brandung umspült werden. Über dem kalten, schäumenden Pazifik rollt der Nebel ins Land und mal wieder zeigt sich die Natur von ihrer gewaltigen Seite.

Küste kurz vor San Franciso

Studieren des Reiseführers auf dem iPad

McDonalds, Apotheken und selbst kleine Kaffestände bieten den direkten Verkauf ins Fahrzeug an

Amerikanische Demokraten und Republikaner streiten sich über den Staatshaushalt. Ein Grossteil der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes wird nach Hause geschickt - sämtliche Nationalparks bleiben geschlossen. Und die Touristen, ja die können bleiben, wo der Pfeffer wächst. Glücklicherweise waren wir hiervon nur relativ wenig betroffen.

 

Wetter:

15 Grad Sonne

 

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