22. November 2013 USA, Arizona – Snowbirds

Als Zugvogel oder auch „Snowbird“ wird eine Vogelart dann bezeichnet, wenn sie verschiedene Jahreszeiten an unterschiedlichen Orten verbringt. Jährlich sind weltweit schätzungsweise 50 Milliarden Zugvögel unterwegs. Aber auch winterscheue, meist ältere Menschen verbringen den Winter lieber in der südlichen Sonne. Und auch sie werden als „Snowbirds“ bezeichnet.

Jedes Jahr fliehen eine Millionen Nordamerikaner und Kanadier vor dem eisigen, dunklen Winter im hohen Norden. Auf der Suche nach Licht und Wärme zieht es sie in den Süden des Landes, nach Kalifornien, Arizona und Florida. Es sind vor allem Menschen im Ruhestand, die Generation der Babyboomer, die vom Aufschwung des vergangenen Jahrhunderts profitieren konnten. Fast alle gehören der Mittelschicht an. Sie haben Zeit und Geld, sind gesund und fit und haben keine Lust, im heimischen Norden die verschneite Hauseinfahrt freizuschaufeln. Sobald sich im Herbst die Blätter verfärben und die rauen Winde beginnen, machen sich die Snowbirds auf den Weg nach dem Eldorado unter südlicher Sonne, wo sie in Boxershorts und Sandalen eisgekühltes Bier und Weisswein geniessen können.  Das Eigenheim wird gegen ein Haus auf Rädern eingetauscht und schon ist man dabei als Mitglied im „S.K.I“.-Club, dessen Abkürzung für „Spending Kids Inheritance“ steht  – auf gut Deutsch: „Wir verprassen die Erbschaft unserer Kinder“.

Für die vielen Kanadier und Nordstaatler ist der Süden der USA wie Mallorca für Deutsche. Nur ohne Ballermann. Sie können mit Dollars bezahlen wie zu Hause, können ihre Geldgeschäfte in kanadischen Banken abwickeln und vertraute Lebensmittel in Supermärkten kaufen. Sie können ihre Sprache sprechen und kanadische Tageszeiten druckfrisch lesen.

Die Küste Kaliforniens oder die Wüste Arizonas ist für die Snowbirds eine unabhängige Zone, ein autarkes Idyll, ohne Zwänge und Auflagen der amerikanischen Gesellschaft. Wenigstens hier im Süden sind alle Amerikaner gleich. Oder zumindest glauben sie daran. Wir treffen etliche der Snowbirds, David, William und Bill, die mit ihrer Mary-Lou, Olivia und Elisabeth durch die Lande tingeln. Stolz zeigen sie uns ihre RVs, ihre „Recreational Vehicles“ - riesige Reisemobile, die die Grösse einer Einzimmerwohnung haben. Mit Eckcouch, Backofen und  Mikrowelle, Fussbodenheizung und Klimaanlage selbstverständlich. Jeder 12. Amerikaner soll so eines besitzen. Und in architektonischer Feinarbeit ist die blitzblank geputzte Duschkabine in das En-Suite neben dem King-Size-Bett integriert. Ein Traum auf Rädern, den zahlreiche Snowbirds leben.

Reichere Snowbirds

Und weniger Reiche

Mittlerweile sind wir im Monat November und damit in der winterlichen Hauptreisezeit der Snowbirds angelangt. Das südliche Klima ist um diese Jahreszeit tatsächlich ein Genuss - auch für uns. Die Sonne verwöhnt uns mit angenehmen Temperaturen um die 25 Grad und Motels und Campingplätze bieten Nebensaisonpreise. Dank der zahlreichen Snowbirds auf den Landstrassen durch die Berge westlich von Los Angeles senken sogar wir den Altersdurchschnitt, was ein schmeichelndes Gefühl bei uns hinterlässt. Damit stehen wir zwar nicht wirklich in der Kritik, aber unter Druck. Denn Rentner haben unendlich viel Zeit für Smalltalks und es scheint, als seien zwei europäische Motorradreisende eine willkommene Abwechslung zumSnowbird-Alltag.

Doch wir haben keine Eile. Unser Ziel, Las Vegas, steht zum zweiten Mal auf dieser Reise auf unserem Plan. Der erste Besuch war etwas kurz geraten, weswegen wir uns den Strip mit seinen Casinogrössen ein weiteres Mal gönnen.  Und genau wie beim Poker spielt Zeit nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr ist das Glücksspiel eine Mischung  aus kühler Berechnung und psychologischer Kriegsführung. Ob Strategie oder Zufall  die wichtigere Voraussetzung hierfür ist, bleibt allerdings Ansichtssache.

Faszination?

Häuserfassade am Strip

Hotel und Casino "New York New York" am Strip

 

Wetter:

23 Grad, Sonne

 

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