5. Januar 2014 USA, Philadelphia – Hochzeitsglocken

Eine Hochzeitsfeier beschreibt die Ausdrucksform des Feierns anlässlich der Schliessung einer Ehe. Das Wort "Hochzeit" leitet sich von "Hohe Zeit" (Festzeit) ab. Die Bezeichnung "Trauung" stammt aus der Redewendung "sich gegenseitiges Vertrauen schenken".  Wir sind zu solch einer Feier im amerikanischen Stil eingeladen. Hierfür fahren wir vom sonnenverwöhnten Key West bis ganz hinauf ins winterliche Philadelphia.

“Jan Dettmann, will you take Julia Michelle Kotler, to be your wedded wife, to have and to hold her, for better for worse, for richer for poorer, to live and to cherish, from this day forward?” Die Worte klingen würdevoll. Fast ein bisschen ehrfürchtig. Und Jan nimmt die Frage ernst, die nun direkt an ihn gerichtet ist. Er blickt in Michelles rehbraune Knopfaugen, die ihn nun ihrerseits aufmunternd anlächelt. Schön sieht sie aus, in ihrem cremefarbenen, schulterfreien Kleid. Die welligen Haare kokettieren mit ihrer nackten Haut und ihre Erscheinung reflektiert eine gewisse Nostalgie. Dass sie glücklich ist, kann man erkennen. Die beiden sind ein Paar durch das Pseudonym des Zufalls, das der liebe Gott offensichtlich gewählt hat, als er inkognito bleiben wollte. „Yes, I will!“ antwortet Jan in die erwartungsvolle Stille und es scheint, als sei ihr Glück nun ein Gefühl, die Welt aus den Angeln heben zu können.

Die Hochzeitsansprache ist anders als die, die ich bisher gehört habe. Der Standesbeamte spricht weder von den 7 Todsünden der katholischen Kirche, noch von Propheten aus der Bibel. Er spricht von Wissenschaft und Universum, von Steinen und Raumfahrt. Spontan und lebhaft. Es gibt keinen besseren Ort für die Trauung als hier im Delaware Museum of Natural History. Neben einem lebensgrossen Dinosaurier-Skelett findet man sich ein paar Meter weiter im Angesicht eines ausgestopften Jaguars wieder. Jan und Michelle sind beide Wissenschaftler – zwar auf dem Gebiet der Raumfahrttechnik und Geologie - doch ihre persönliche Welt der Naturwissenschaften ist hier weitaus präsenter als vor dem kirchlichen Altar.

Und dann trinken wir Champagner. Richtig guten Champagner mit delikater Eleganz und einer unerwarteten Leichtigkeit. Aber das Beste an ihm ist diese wunderbare Cremigkeit. Er verführt mit einer schon fast obszönen Creme. Eigentlich trinke ich nur selten Champagner. Meist nur, wenn ich glücklich bin. Oder traurig. Oder alleine. Oder in Gesellschaft. Besonders mag ich ihn am Morgen zum Frühstück oder am Abend beim Kochen. Oder wenn ich hungrig bin. Aber auch wenn ich satt bin, schmeckt er ziemlich gut. Ansonsten trinke ich eigentlich nie – nur wenn ich durstig bin. Und heute trinke ich Champagner mit Jan, Michelle und Ingo. Weil ich mich freue. Ich freue mich für sie und mit ihnen. So wie alle anderen Gäste. Wir schwelgen so sehr in Freude, wie man nur schwelgen kann, wenn man lange Zeit eine Hoffnung mit sich herum geschleppt hat, dass die beiden ein glückliches Zusammensein finden.

Die weiteren Tage mit Jan und Michelle verbringen wir im Kreise ihrer riesigen Familie. Wir fühlen uns als Teil dieser. Ungefragt zugehörig. Grenzenlos unkompliziert. Ob das Brunchen am nächsten Morgen bei Bonnie und Mitch oder die Stadtbesichtigung in Washington oder der Kinoabend mit Popcorn und Coca Cola. Die Organisation stimmt. Der Besuch der Hauptstadt der Vereinigten Staaten beeindruckt mich. Es gibt in Washington keine Wolkenkratzer, da kein Gebäude höher sein darf als die Breite der angrenzenden Strasse plus 6.2 Meter. Das lässt die Stadt attraktiv erscheinen. Unsere Liste der abzulaufenden Sehenswürdigkeiten ist lang. Das Lincoln Memorial, ein Bauwerk aus weissem Marmor im klassischen griechischen Stil, enthält eine 6 Meter hohe Marmorstatue des sitzenden Abraham Lincoln. Das weisse Haus, als offizieller Sitz des Präsidenten der Vereinigten Staaten, das auf 1600 Pennsylvania Avenue zu finden ist, darf  natürlich auch nicht fehlen.

Genauso wenig wie die Pause im Starbucks Café. Durchgefroren, mit von der Kälte geröteten Gesichtern bestellen wir die Palette der wärmespendenden Wohltaten: Spicy Latte, Hot Chocolate und Double Shot Espresso. Zusammen mit Blueberry Muffin und Lemon Cake finden wir wieder zurück zu normalen Körpertemperaturen. Und besonders verführerisch empfinde ich die Mischung aus starkem Espresso zusammen mit extra dunkler Zartbitterschokolade. Ich lasse stets ein kleines Stück Schokolade für den allerletzten Genuss übrig. Weil ich möchte, dass das Beste zum Schluss kommt.

Doch im Spiegel der Sprache ist dies leicht gesagt. Die Realität ist anders. Ganz besonders auf unserer Reise.  Das Beste bekamen wir unterwegs schon so oft präsentiert. Alles war hoch und weit, farbig und schillernd, unglaublich beeindruckend und gnadenlos einmalig. Wir fuhren durch unsere Träume in einer Art Wachkoma. Mit Herzensfreude und Leidenschaft. Mit Sehnsucht und Schmerz. Der latein- und nordamerikanische Kontinent war für uns wie die Grenzenlosigkeit eines  kleinen Kindes an der Supermarktkasse im Angesicht herrlichster Süssigkeiten.

Und in diesem Sinne verabschieden wir uns heute von dem Kontinent der Superlative, mit dessen Extremen und Schönheiten wir die vergangenen 13 Monate beschäftigt waren. Nach einem dreitägigen Stopover auf den Fiji-Inseln wird die Fortsetzung unserer Reise in Australien weitergehen. Aber erst morgen. Denn gute Geschichten sind vergleichbar mit gutem Champagner. Man redet am nächsten Tag darüber.

Everglades Nationalpark, fast hätten wir diesen dicken Aligator übersehen

Wir haben nicht herausgefunden, was hier eigentlich erlaubt ist.

Geier im Nationalpark Everglades

Dies ist bereits der zweite Weihnachtstruthahn auf dieser Reise. Im letzten Jahr nannten wir das Vieh
"Don Hugo". Unser diesjähriges Geschöpf heisst "Washington". Denn einen "No-Name-Truthahn" essen wir nicht.

North Carolina, Outer Banks, Leuchturm Bodie Island

 

Wetter:

4 Grad Sonne

 

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