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Der erste Eintrag ist oben und neuere Einträge sind weiter unten zu finden. China Tagebuch: Claudia auf Studienreise China ist ein kultureller Raum in Ostasien, der vor über 3500 Jahren entstand und politisch und geografisch von 221 v. Chr. bis 1912 das Kaiserreich China umfasste. Dannach wurde das Land in die Republik bez. die Volksrepublik China umbenannte. Die geschätzte Anzahl Einwohner beträgt 1,4 Milliarden. Donnerstag 13.02.2014 Landeanflug auf Hong Kong. Leider hängt dichter Nebel über der Stadt. Ein paar Schiffe im Wasser unter mir lassen sich nur erahnen, genau wie die Wolkenkratzer am Stadtrand. Versteckt hinter einem grauen Vorhang zeigt sich Hong Kong zumindest im jetzigen Augenblick nicht von seiner vorteilhaften Seite. Die Immigration ist unbürokratisch, emotionslos und ohne jegliche Gesichtsmimik auf Seiten der Grenzbeamten. Dafür äusserst effektiv. Draussen vor dem Flughafengebäude riecht die Luft feucht und nach Winter. Ich fühle mich leer und unvollständig, so ganz ohne Ingo unterwegs zu sein. Irgendwie alleine gelassen. Doch das wird sich spätestens morgen ändern, wenn ich die Stadt und die dazugehörigen Millionen Einwohner bei Tageslicht entdecken darf. Ein kleines bisschen Heimatgefühl verspüre ich dann doch, als mich der Taxifahrer vor dem Ibis-Hotel absetzt. Ich bekomme ein Zimmer-Upgrade im 32. Stock mit Blick auf den Hafen. Vielleicht war die schriftliche Beschwerde über die unverschämt hohen Internetgebühren beim letzten Ibis-Aufenthalt doch ganz sinnvoll. Ingo hat sie in meinem Namen verfasst und mir nach Versenden jenes Schriftstückes ganz nebenbei davon erzählt. Seitdem versucht eine tiefere Schicht meines Unterbewusstseins mir einzureden, ob dies vielleicht unvernünftig war, da nun mein Name auf Ibis-Lebzeiten auf der schwarzen Ibis-Liste steht. Aber wenn diese Aussicht die Strafe für seinen Alleingang ist, muss ich ihm vielleicht sogar dankbar dafür sein.
Freitag 14.02.2013 Den nächsten Tag beginne ich mit einer Tour durch Sheun Wan, dem District auf Hong Kong Island, wo sich auch mein Hotel befindet. Kleine Läden verkaufen getrocknete Meeresfrüchte, medizinische Kräuter, Ginseng Wurzeln und allerlei frisches Obst und Gemüse. Der buddhistische Tempel "Man Mo" in der Hollywood Road liegt auch auf meiner Route und es ist spannend, die Chinesen dabei zu beobachten, wir sie in der rauchgeschwängerzen Luft ihre Opfergaben und Räucherstäbchen vor den grossen Buddhafiguren niederlegen. Der Tempel wurde 1847 für die Götter der Literatur ("Man") und der Kriege ("Mo") errichtet. In der chinesischen Bevölkerung dominieren die buddhistische und konfuzianistische Weltanschauung.
Abends treffe ich Yvette und Lucy zum Dinner. Ingo und ich haben die beiden 2008 in Zürich kennen gelernt. Sie waren damals als Expats im Rahmen der UBS Bank für ein paar Jahre in die Schweiz versandt worden. Heute leben beide wieder in der 7 Millionen Einwohner zählenden Stadt Hong Kong, die auf 1.085 Quadratkilometer mit einem wichtigen Finanz- ind Wirtschaftssektor zu den Weltstädten zählt. Es gibt eine schmackhafte Auswahl an chinesischen Köstlichkeiten: Wan Tan Suppe, mit Kräutern gegüllte Tofu-Röllchen, in Reisfladen gewickeltes Entenfleisch, Pak Choi mit Bambuswurzeln, mit Hackfleisch gefüllte Teigtäschchen, grüner Salat mit Hühnchenfleisch und breiten Reisnudeln gemischt und Xiao Long Bao, gedämpfte Schweinefleischtütchen, die in einem Bastkorb mit lose aufgelegtem Deckel serviert werden. Lecker!
Samstag 15.02.2014 Am Samstag fahre ich mit Yvette auf einer Fähre über den Victoria Harbour auf die andere Seite Hong Kongs. "Kowloon - The dark side - Die dunkle Seite", wie sie es mit einem Augenzwinkern bezeichnet. Die weitläufige Promenade wirkt einladend und wir werden von indisch aussehenden Männern angesprochen, ob wir ein massgeschneidertes Kleid anfertigen lassen möchten. "Aus schönem Stoff", beschwört uns der Strassenhändler. Doch hier in China ist das Thema "Essen" weitaus präsenter und vordergründiger als Kleidung. Zumal die Stadt gefüllt ist mit sämtlichen Edelmarken, die ich aus der Zürcher Bahnhofstrasse kenne: Louis Vuitton, Cartier, Marionnaud. Hier liesse sich jeder Wunsch erfüllen. Doch wir widmen uns den "Yum Cha", den chinesischen Tapas, die von uniformierten Damen auf silbernen Servierwägen an den Tischen der Gäste angepriesen werden. Yvette bestellt Hühnerfüsse, paniert, frittiert, in einer stark gewürzten Erdnuss-Sosse. Es ist ein ähnliches Erlebnis wie damals mit Muscheln, das bereits Jahre zurück liegt. Ein Deja-vu sozusagen. Ich kann mich einfach nicht überwinden, draufzubeissen. Laden für Chinesische Kräuter Dienstag 18.02.2014 Mittlerweile bin ich im "Real China" - im richtigen China - angekommen. Nämlich auf dem Festland in Kunming, der Hauptstadt der Provinz Yunnan. Kunming liegt auf dem fast 2.000 Meter hohen Ost-Yunnan-Plateau. Diese Lage bedingt das ganze Jahr über relativ milde Temperaturen, so dass Kunming auch als Stadt des ewigen Frühlings bezeichnet wird. Meine Unterkunft für die nächsten drei Wochen ist das Gästehaus "Lost Garden", das einen ordentlichen und sehr sauberen Eindruck auf mich macht. Glücklicherweise sprechen die Mädels an der Rezeption englisch. Die Kommunikation in China soll sich noch als die grösste Herausforderung herausstellen. Und dann beginnt mein erster Praktikumstag. Im Büro für "Foreign Affairs" muss ich meine Anwesenheit anmelden und ich werde Mrs. Long zugewiesen, meiner Dolmetscherin. Sie spricht gutes und verständliches Englisch. Langsam und überlegt. Mit vielen Pausen. Doch zumindest können wir miteinander kommunizieren. Im Krankenhaus wimmelt es von Menschen, die kreuz und quer duch die Flure laufen und in langen Schlangen vor Schaltern stehen. Das ganze Gebäude wirkt im Inneren irgendwie ärmlich, heruntergekommen und schmutzig. Die Toiletten bestehen aus dunkeln Löchern im Boden und Türen, die sich nicht verriegeln lassen. Es gibt keine Seife, keine Papierhandtücher, kein Desinfektionsmittel. Meine Fussnägel beginnen sich bereits langsam nach oben zu rollen, so abstossend empfinde ich die Räume. Doch meine Anwesenheit wird sich weniger auf die Toilettenräume konzentrieren als auf die Behandlungsräume. 8 Patientenliegen, ein alter Schreibtisch, 7 Assistenzärzte oder solche, die es werden wollen und sicher 15 Patienten, die alle zur selben Zeit versuchen, die Aufmerksamkeit des behandelnden Arztes zu erlangen. So würde ich den Behandlungsraum beschreiben. Er ist einfach nur vollgestopft mit Menschen. Die Chefärztin ist Dr. Jhi Jing, eine Frau mittleren Alters, kleiner Statur und starker Kurzsichtigkeit, was sich an den dicken Brillengläsern erkennen lässt. Dichter Moxa-Schwaden hängt bereits am frühen Morgen in den Fluren. Hier gibt es keine Dunstabzugshauben und der Rauch steigt mir in Nase und Kopf. Die Behandlungen der Patienten spielen sich im Minutentakt, wenn nicht im Sekundentakt ab. 30 Sekunden für Zungen- und Pulsfiagnose, weitere 2 bis 3 Minuten für die eigentliche Akupunktur. Die Befragung der Patienten ist kurz gehalten, die körperliche Untersuchung minimalisiert. Das ganze grenzt an Fliessbandarbeit. Alle 10 Minuten ein neuer Patient. Die Erklärung zu den Akupunkturpunkten bekomme ich dennoch. Ich habe viele Fragen und stelle sie auch. Und so unwohl ich mich nach dem ersten Tag im Krankenhaus fühle, so positiver gestaltet sich der zweite Tag meines Praktikums. Mir scheint, die vom Vortag gespürte Distanziertheit ist auf beiden Seiten gewichen. Sowohl bei mir als auch bei den Ärzten. Und als Highlight des Tages finde ich ein edles vegetarisches Restaurant im Gebäude über der Post, das Mittagsmenue in Form von Buffett anbietet. Das kommt mir wirklich sehr gelegen. Das gestrige Essen in der Krankenhauskantine war doch sehr Schweinefleisch lastig und irgendwie zäh-schleimig zubereitet. Heute darf ich mich für 25 Yuan, was umgerechnet 2,50 € sind, frei bedienen. Und die Gemüse-und Tofugerichte sind wirklich sehr lecker, würzig und frisch zubereitet. Es gibt ausserdem zwei verschiedene pflanzliche Getränke, die mit heissem Wasser aufgegossen werden. Ein roter und ein grüner Saft. Sie schmecken gewöhnungsbedürftig, aber nicht richtig schlecht. Der eine fast ein bisschen wie Möhrensaft, der andere irgendwie nach Gras. Ich glaube, hier werde ich die nächsten drei Wochen regelmässig zum Mittagessen herkommen. Da kann ich wenigstens sicher gehen, keine Hühnerfüsse oder Innereien serviert zu bekommen. Was das Essen anbelangt, war ich noch nie richtig neutral und unvoreingenommen. Ich kämpfe seit meiner Kindheit meinen stillen und ganz persönlichen Kampf gegen Meeresfrüchten, Pilze und allerlei schleimiger Andersartigkeiten. Ausserdem habe ich mich sämtlichen Regeln und Zwängen des Fleischessens konsequent widersetzt. Ausser Truthahn- und Hühnerbrust akzeptiere ich nur ausgewählte Filetstücke auf meinem Teller. Allenfalls noch hausgemachte Rouladen. Schon lange hat Ingo die Hoffnung in meine Experimentierfreude aufgegeben. Auch wenn Hoffnung keineswegs die Überzeugung ist, dass etwas gut ausgeht. Für Ingo als echter Survialist ist fremdländisches Essen mehr als nur Ernährung. Es ist kulinarische Exotik. Ein unberechenbares Wagnis. Betörend. Sinnlich. Mutig. Egal wie es ausgeht. Donnerstag 20.02.2014 Die Ärzte und Professoren des Krankenhauses sind allesamt sehr unterschiedlich. Was den Charakter angeht, wie sie die Behandlungen vornehmen und wie sie sich anderen Menschen gegenüber geben. Da ist zum Beispiel Dr. Wu - fahle Gesichtshaut, gelbe Zähne, Kettenraucher. Er ist mir rein von seiner Persönlichkeit her noch der Sympatischste unter den Ärzten. Er ist er selber und legt viel Wert darauf, dass ich alles verstehe und keine Fragen offen bleiben. Seine Patientenanamnese findet unter dichtem Zigarettenrauch statt. Doch dies ist nebensächlich, da die Luft in den Räumen sowieso zum Schneiden ist wegen der zahlreichen Moxabehandlungen. Wenn er mit der Akupunktur startet, legt er eine Raucherpause ein. Dann fliegen die Nadeln nur so in die Körperteile. Am tollsten anzusehen ist die Behandlung der fazialen Hemiparese - der halbseitigen Gesichtslähmung. Ich habe es noch nicht gewagt, Fotoaufnahmen zu machen. Doch die Patienten gleichen hinterher irgendwie einem Nadelkissen. Die betroffene Gesichtshälfte wird zugepflastert mit bis zu 20 Nadeln. Und obwohl Dr. Wu in rekordverdächtigem Tempo die Nadeln platziert, scheinen doch alle an der richtigen Stelle zu sitzen. Ich gebe zu, ich habe daran gezweifelt und ein paar von ihnen kontrolliert, als er bereits bei seinem nächsten Patienten war. Doch erstaunlicherweise waren alle an der korrekten Stelle. Ein kettenrauchender Akupunktur-Meister, dieser Dr. Wu!
Langsam gewöhne ich mich an die chinesische Kultur und meine heutige Dolmetscherin Mrs. Liu bringt mir sogar einige chinesische Schriftzeichen bei: Mensch, Wasser, Tochter, Sohn, Familie. Sie erklärt mir den Aufbau der Schriftbilder und tatsächlich kann man mit etwas Fantasie Figur und Bedeutung in Einklang bringen. Es gibt drei Themen, die in China einen hohen Stellenwert besitzen: Die Familie, das Essen und die Manneskraft. Letzteres wird mir bei den Behandlungen der männlichen Patienten bewusst. Ohne Ausnahme tragen die Männer Unterhosen in roter Farbe. Ist sie nicht komplett rot, so ist zumindest ein rotes Bündchen oder ein roter Querstreifen aufgedruckt. Rot ist die Farbe des Yang und symbolisiert Feuer und Hitze, Kraft und Macht und letztendlich eben auch Männlichkeit. Nicht umsonst beinhalten viele Kräuterrezepturen tierische Inhaltsstoffe, die in der westlichen Welt als äusserst umstritten gelten und teilweise sogar verboten sind. Tigerhoden, Robbenpenis und Nashornpräparate. Auch den Seepferdchen steht mittlerweile das Wasser bis zum Hals. Jährlich werden Schätzungen zufolge 24 Millionen von ihnen aus den Weltmeeren gefischt. Zerrieben eingenommen gelten sie als Mittel zur Potenzsteigerung. Samstag 22.02.2014
Viele Stadtbewohner kommen am Wochenende an den Toni und seine Mutter - Bewohner von Kunming. Im French Cafe in der Mittagspause. Es wird im Tripadvisor hoch gelobt. Im Yuantong Tempel
Die Buddha-Figuren sind überall zu finden und werden von den Chinesen hoch verehrt. Zur Verwendung in Kräuterrezepturen für die TCM. Auf dem Markt wird allerlei "Kurioses" angeboten. Tierische Begegnung im Chinesischen Jahr des Pferdes. Tierische Begegnung auf die faule Art. Dienstag 25.02.2014 Ich habe die erste Woche in China überlebt! Eigentlich wollte ich ja nach dem ersten Tag im Krankenhaus meinen Flug umbuchen und zurück nach Australien fliegen. Und wahrscheinlich habe ich es aus zwei Gründen nicht gemacht: Zum einen bin ich einiges aus Süd- und Zentralamerika gewöhnt und zum anderen galt schon früher in den Sportwettkämpfen die Devise, dass man nur aufgibt, wenn es wirklich nicht anders geht. Und tatsächlich gefällt es mir mittlerweile sogar ganz gut hier in Kunming. Ich empfinde nach wie vor die Toiletten als das Schlimmste hier im Land. Dazu kommt die scheussliche Angewohnheit der Männer, sämtliche Körperinhalte nach aussen zu befördern. Es wird gespuckt und gerotzt, gehustet und geschleimt, dass einem übel dabei wird. Das Land wird vom Machismus beherrscht, der selbst die Argentinier in den Schatten stellt. Frauen verhalten sich ruhig, freundlich, untergeordnet. Sie bleiben im Haus und kümmern sich um Haushalt, Kinder und die Eltern des Mannes. Einem Ritual zufolge wäscht die Gattin gar jeden Abend die Füsse ihres Familienoberhauptes. Doch es ist ein stetiger Wandel spürbar, der in den Strassen Chinas auffällt. Gerade in der jungen Bevölkerung scheint die Bildung und das Verhalten westlichem Wandel zu unterliegen. Im Krankenhauspraktikum lerne ich ein paar neue Therapien kennen, die für mich bislang unbekannt waren. Mit einer dicken Nadel werden kleine Stücke von Schafshoden im Fettgewebe rund um den Bauchnabel eines Patienten versenkt. Diese Therapie hat immunstimulierenden Einfluss und wird bei alten und ausgezehrten Patienten angewandt. Doch auch in der Schönheitsindustrie findet die Therapie zur Gewichtsreduktion Anwendung. Junge, wohlhabende Chinesinnen gehen zur Behandlung in der Hoffnung, durch den körperstimulierenden Effekt die Fettverbrennung anregen zu können. Eine Patientin kommt mit Schulterproblemen in die Sprechstunde. Sie kann seit Monaten den Arm nicht weiter als 90 Grad zur Seite anheben. Dieses Phänomen ist in der westlichen Medizin als "Frozen Shoulder" bekannt und hat ursächlich mit Verklebungen im Muskelgewebe zu tun. Nach kurzer Lokalanästhesie werden nun kräftige Nadeln in den Deltamuskel eingeführt, die an der Spitze mit einer dünnen Klinge versehen sind. Der behandelnde Arzt bewegt sie kräftig von links nach rechts und schneidet so den verklebten Muskel einfach frei. Dem Gesichtsausdruck der Patientin nach zu urteilen ein nicht ganz schmerzfreier Vorgang. Am Samstagmorgen treffe ich Viviane, eine Französin, die für 2 Monate alleine durch China reist. Sie spricht wenig Englisch, dafür ein bisschen spanisch und chinesisch. Ich gebe mir Mühe und spreche mein bestes französisch. So, wie ich es immer tue. Mit spanischem Wortschatz und einer galanten französischen Aussprache. Wir wollen zusammen den Shilin Stone Forest besuchen, wofür wir über die Hotelrezeption einen Minibus mit Fahrer anmieten. 90 Minuten dauert die Fahrt ins Umland von Yunnan. Die hohen Kalksteinformationen des Shilin Stone Forest wirken wie Stalagmiten, die in den Himmel emporgewachsen sind. Viele von ihnen sehen aus wie versteinerte Bäume, weswegen die Sehenswürdigkeit auch ihren Namen bekam. Seit 2007 gehört Stone Forest zum UNESCO Weltkulturerbe. Stone Forest Wir sind nicht alleine im Stone Forest. Wir werden häufig gefragt, ob man uns fotografieren darf. Mittagspause! Schriftzeichen im Felsen
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